Formen hybriden Zusammenlebens zwischen menschlichen und nicht-menschlichen sind in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus künstlerischen Arbeitens und Denkens gerückt. Zeitgenössische Ausstellungen schaffen hybride Mikro-Ökologien, in denen z.B. (um Pierre Huyghes „After Alife Ahead“ als Beispiel zu nehmen) die Luftfeuchtigkeit im Raum, ein Bienenschwarm, die Reproduktionszyklen einer Krebszelle, eine App auf den Handys der menschlichen Besucher*innen miteinander koordiniert werden. Der Körper fungiert in solchen Arbeiten als Schnittstelle zwischen subjektiver Erfahrung, sozialer Einschreibung und technowissenschaftlicher Vernetzung.
Die Verflechtungen von Algen und Algorithmen, Technoschamanen und Cyborgs, Bienen- und Besucherschwärmen sind mehr als nur das „nächste heiße Thema“. Künstlerische Ökologien und hybride Körperpraktiken reagieren auf die Lebenswirklichkeit unserer Generation, die von einer zunehmend krisenhaften Vernetzung geprägt ist. Neben algorithmischen Kontrollregimen, die tief in unser physisches, affektives und kognitives Leben eingreifen, ist die ökologische Krise, mit der wir konfrontiert sind, "so obvious that it becomes easy — for some, strangely or frighteningly easy — to join the dots and see that everything is interconnected " (Timothy Morton). Künstlerische Arbeiten versuchen weniger Begriffe von Natur, Leben und Materie zu hinterfragen, sondern natürliche und lebendige Prozesse in ihrer eigenen Ironie, Queerness und Abgründigkeit ins Spiel zu bringen. Polemisch formuliert: Die Natur ist selbst viel zu dekonstruktiv als dass sie von uns dekonstruiert werden müsste.
In diesem Seminar wollen wir uns näher mit den Naturverständnissen beschäftigen, die hier am Werk sind. Im Zentrum wird dabei Karen Barads einflussreiches Buch „Meeting the Universe Halfway“ stehen. Barad entwickelt hierin einerseits eine Erkenntnistheorie, die nicht vom distanzierten Beobachter, sondern von eingebetteten Akteur*innen als Erkenntnisinstanzen ausgeht, und andererseits einen Begriff von Natur, der vermeintlich menschliche Eigenschaften wie Moral, Intentionalität, Freiheit und Agency umfasst.
Wir wollen versuchen, theoretische Fragen möglichst nah an unseren eigenen künstlerischen Fragestellungen zu erforschen.