Der Riss. Einführung in die Kunsttheorie II

Der Riss. Einführung in die Kunsttheorie II

Eine interne Bestimmung der Idee von Kunst kann nur durch eine Abgrenzung von den anderen symbolischen Großkategorien der Moderne wie etwa Wissenschaft, Politik, Ökonomie oder Gesellschaft geschehen. In dieser Negation bleiben jedoch wesentliche Bezüge erhalten, weil die Kunst eben nicht einfach ist was sie ist, sondern das zu sein versucht, was diese anderen Kategorien nicht sind. Die Negation bestimmt also auf komplementäre Art immer schon mit, was unter einer Autonomie der Kunst vorzustellen wäre. Autonomie und Abhängigkeit stehen also in einem Verhältnis zu einander. Auch die Praktiken der Kunst sind nur durch solche Abgrenzungsakte zu verstehen. Gerade indem sie auf die höheren Weihen der Idee von Kunst zielen, etablieren sie die Unterschiede zwischen hoher und niedriger, freier und angewandter, autonomer und abhängiger Kunst. Die „niedrigen“, „angewandten“ oder „abhängigen“ Künste sind deutlich weniger abgegrenzt gegenüber der Wissenschaft, dem Kapital, der Politik oder der Gesellschaft insgesamt; und zwischen ihnen gibt es nochmals deutliche Absetzungsbewegungen etwa zwischen dem Design und dem, was früher Kitsch hieß, der heute medialisierten und kapitalisierten Alltagskultur. Was wir als „Kunst“ im bürgerlichen Zeitalter vorstellen, ist daher immer schon durch diese vielfältigen Abgrenzungen geprägt. Kunsttheorie beschäftigt sich in erste Linie damit, diesen Modus des Aufteilens und Aufspaltens zu rekonstruieren und die einzelnen Formen der Kunst, der Künste und der Kultur in ihrem Zusammenhang zu thematisieren.

Das Seminar diskutiert an Hand ausgewählter Beispiele die Frage, wie wir diese Verhältnisformen zwischen internen und externen Bestimmungen verstehen können und welche praktischen wie theoretischen Schlussfolgerungen sich daraus ziehen lassen.