Autonomie und Relevanz

Autonomie und Relevanz

Ansprüche an künstlerische Autonomie und gesellschaftliche Relevanz werden meist als gegensätzliche Einstellungen definiert, in dem Sinne, dass ein gesellschaftliches Engagement gerade in der Überwindung der Autonomie liege. Doch Autonomie lässt sich keineswegs nur als eine Form wesentlicher Selbstbezüglichkeit von Kunst verstehen. Sie stellt eine vielschichtige Kategorie dar, die psychologisch-moralische, auf die Frage der Willensfreiheit bezogene Momente ebenso umfassen kann wie politisch-existenzielle Dimensionen von Selbstbestimmung oder Selbstermächtigung. Gerade darin zeigt sich, dass Autonomie nie tatsächlich autonom verstanden werden kann, sondern nur in Akten der Abgrenzung zwischen einem Autonomen und einem Heteronomen. Sie stellt somit immer schon ein gesellschaftliches Verhältnis dar, das sich nicht als Gegensatz zu, sondern als Voraussetzung von engagierten Praktiken begreifen lässt.

Die Lehrveranstaltung wird anhand ausgewählter Lektüren die logischen wie die historischen, die politischen wie die ästhetischen Dimensionen des Autonomie-Begriffs ins Auge fassen.

Literatur:
Kerstin Stakemeier/Marina Vishmidt, Autonomie, 2015
Sebastian W. D. Krauss, Die Genese der autonomen Kunst: Eine historische Soziologie der Ausdifferenzierung des Kunstsystems, 2012
John Roberts, Negationen der Kunst. Avantgarde und Autonomie, Asozialität, Deflation und Erneuerung, in: Lettre International Nr. 101, Sommer 2013, S. 79–85
Peter Bürger, Theorie der Avantgarde, 1974
Peter Bürger, Zur Kritik der idealistischen Ästhetik, 1983
Jacques Rancière, Das Unbehagen in der Ästhetik, 2008
Jacques Rancière, Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, Berlin 2005
Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst, 1992
Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, 1971