Theorien der Gesellschaft

Theorien der Gesellschaft

Die These von der Autonomie der Kunst setzt immer schon eine bestimmte Idee der Gesellschaft voraus, in der die Kunst autonom sein oder werden kann. Wie sieht nun diese Idee der Gesellschaft innerhalb der unterschiedlichen Theorieentwürfe aus? Welchen Unterschied hinsichtlich des jeweiligen Autonomie-Verständnisses macht es, diese Gesellschaft als bürgerliche Gesellschaft, als Tausch-, Markt-, Disziplinar-, Kontroll- oder Risikogesellschaft, als Kapitalismus, Neoliberalismus oder als Moderne zu beschreiben? In diesen Begriffsbildungen liegen nicht nur unterschiedliche Bewertungen von Autonomie begründet, sondern auch z.T. konträre Einschätzungen, ob etwa Märkte und Institutionen Autonomie eher einschränken oder befördern. Vielfach wird sogar die Fragwürdigkeit der Kategorie Gesellschaft als solcher konstatiert und ein rein funktionales Beschreibungsverhältnis sozialer Zusammenhänge und damit eine Aufhebung des Problems der Autonomie gefordert. Doch genau damit ginge die Möglichkeit verloren, die besondere Kontextabhängigkeit der Kategorie Autonomie zu erfassen; und damit verlören auch die kunstspezifischen Fragen nach dem Verhältnis von Werk und Kontext, Autor und Publikum, ästhetischer und politischer Erfahrung ihren begrifflichen Zusammenhang.

In der Lehrveranstaltung wird es darum gehen, die grundlegenden gesellschaftstheoretischen Argumentationsfiguren hinsichtlich der Autonomie zu rekonstruieren und auf die immer schon verinnerlichten sozialen Dimensionen der ästhetischen Kategorien zu beziehen.

Literatur:
Oliver Marchart, Das unmögliche Objekt: Eine postfundamentalistische Theorie der Gesellschaft, Frankfurt am Main 2014
Alain Ehrenberg, Das erschöpfte Selbst: Depression und Gesellschaft in der Gegenwart, Frankfurt am Main 2004
Alain Ehrenberg, Das Unbehagen in der Gesellschaft, Frankfurt am Main 2012
Jens Luedtke: Arbeitslose: Die Grenzen der Autonomie
Cornelius Castoriadis: Autonomie oder Barbarei, Verlag Edition AV, Lich/Hessen 2006